INTERDISZIPLINÄRE ZUSAMMENARBEIT FÜR EINE VERNETZUNG THERAPIE
Beim Lymphology 360 Summit hat der Hilfsmittelhersteller medi Experten und Patienten in der Therapie von Lip- und Lymphödemen virtuell an einen Tisch gebracht. An zwei Veranstaltungstagen wurden vier Themenblöcke behandelt und aus wissenschaftlicher und praxisorientierter Sicht die neuesten klinischen Trends identifiziert sowie therapeutische Aspekte, Patientengeschichten und aktuelle Ansätze für den Fachhandel diskutiert. Bereits zum zweiten Mal nach 2021 fand das digitale Symposium statt. Live teilgenommen haben rund 430 Experten aus 70 Ländern.
Der medi Lymphology 360 Summit richtete sich an Patienten und an alle, die in ihrer täglichen Arbeit das Beste für ihre Lip- und Lymphödem-Patienten wollen: Fachleute im Gesundheitswesen, Therapeuten und Ärzte. Neben wissenschaftlichen Vorträgen wurden auch Geschichten von Patienten für Patienten vorgestellt, um das Bewusstsein für Selbstmanagement, Ernährung und vor allem für die Erkrankung an sich zu schärfen. „Die Betrachtung des Lymph- und Lipödems als Krankheitsbild erfordert einen ganzheitlichen Ansatz“, erklärt David Reich, Leitung medi Campus Global. „Deswegen war es uns wichtig, all diejenigen in Gespräche und Diskussionen einzubeziehen, die täglich mit der Krankheit in Berührung kommen, wie die Betroffenen selbst. Aufklärung und Austausch sind immens wichtig für bestmögliche Therapieergebnisse.“
Moderiert wurde die virtuelle Veranstaltung von Els Brouwer, Beraterin für Phlebologie und Lymphologie sowie Vorsitzende des niederländischen Verbands für Physiotherapeuten in der Lymphologie und Onkologie, und Valerie Smeelen-Wendt, International Training und Projektmanagerin bei medi. Die wissenschaftliche Leitung des diesjährigen Lymphology 360 Summits hatte Dr. Céline Eggen inne, Phlebologin und Buchautorin. Alle Teilnehmer konnten das Event via YouTube oder Microsoft Teams verfolgen und ihre Fragen live über Chat an die internationalen Referenten und medi Experten stellen.
Aktueller Forschungsstand zur Ursache von Lipödemen
Obwohl es bereits vor rund 5.000 Jahren erste Darstellungen von Frauen mit Lipödem-typischen Silhouetten gab, war der eigenständige Charakter der Erkrankung lange Zeit nicht bekannt. Auch heute noch wird das Lipödem häufig fälschlicherweise als Lymphödem diagnostiziert, berichtete die erste Referentin Dr. Kristiana Gordon aus ihrer täglichen Arbeit am St. George’s Hospital in London. Zu wenig ist noch über die genaue Ursache des Lipödems bekannt. Dr. Kristiana Gordon ist Fachärztin für Dermatologie und Lymphovaskuläre Medizin und betreut mit ihrem Team Tausende von Patienten mit primären und sekundären Lymphödemen.
In ihrer Studie versuchte Dr. Kristiana Gordon deshalb folgenden Fragen nachzugehen:
- Inwieweit spielen die genetische Veranlagung der Patienten und Einflüsse wie Ernährung oder Stress eine Rolle?
- Weshalb entwickeln manche Lipödem-Patienten auch ein Lymphödem? Weshalb andere nicht?
- Obwohl Lipödem und Adipositas zwei verschiedene Krankheiten sind, treten sie oft zusammen auf – besteht eine Verbindung? Falls ja, welche?
Bilder: www.medi.de
Abb. 1a, b: Prof. Nele Devoogdt und ihre Kolleginnen des Universitätsklinikums Leuven (Belgien) erzählten anschaulich aus ihrem Praxisalltag, wie wichtig die enge Zusammenarbeit zwischen Arzt, Sanitätshaus, Therapeut und Patient ist – und weshalb das Selbstmanagement von Patienten immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Ergebnisse ihrer Studie aus dem Jahr 2010 mit fünf Familien untermauerten die These, dass das Krankheitsbild einen genetischen Ursprung hat – ein bestimmtes Gen, das für die chronische Fettverteilungsstörung verantwortlich ist, konnte jedoch nicht gefunden werden.1 Im nächsten Schritt wurde deshalb eine weitere Studie mit 200 Lipödem-Patienten aufgesetzt.2 Die Ergebnisse im Überblick:
- Anders als vermutet verbesserte und reduzierte sich auch das Lipödem bei knapp 87% der Patienten, die ihre Ernährung umgestellt und Gewicht verloren hatten.
- Lymphödeme traten bei Patienten mit Lipödem meist nur bei Frauen über 60 Jahren auf.
- Nur 13% der Teilnehmerinnen hatten Krampfadern – wesentlich weniger Fälle als vorher angenommen.
- Chromosom 13 wurde als ein Gen identifiziert, das möglicherweise für eine Lipödem-Erkrankung verantwortlich ist. Eine wissenschaftlich fundierte Bestätigung steht dazu noch aus.
„Die genaue Rolle der Lipödem-Vererbung ist leider noch nicht abschließend geklärt“, so Dr. Kristiana Gordon. „Wir gehen davon aus, dass es weitere Gene gibt, die eine Rolle spielen, die wir aber noch nicht identifiziert haben. Umso wichtiger ist es, weiter zu forschen, sich untereinander zu vernetzen, Ergebnisse zu teilen und diese mit anderen Experten zu diskutieren. Internationale Symposien wie das Lymphology 360 Summit leisten dabei einen wichtigen Beitrag.“
Abb. 2: Auch medi Experten aus aller Welt, wie Midori Yabunaka, Clinical and Educational Manager medi Japan, gaben Einblick in ihre Arbeit und in Behandlungsmethoden bei Lip- und Lymphödemen.
Wissenschaft trifft Praxis: Aktiv Einfluss auf den Alltag nehmen
Auch interessante Nischenthemen und seltene Diagnosen im Bereich der Lymphologie und Phlebologie diskutierten Ärzte und Therapeuten am ersten Tag des Summits. Ewa Burian, Ärztin und Doktorandin am Bispebjerg Hospital, Universität von Kopenhagen, zeigte beispielsweise auf, wie wichtig Kompressionstherapie bei Phlegmone ist, um Entzündungen, Schmerzen und chronische Ödeme zu reduzieren. Als Phlegmone wird eine Entzündung bezeichnet, bei der Bakterien über eine Verletzung der Haut in den Körper gelangen und sich über die Lymphbahnen ausbreiten. Ihre Erfahrung: Ein mittels Kompressionstherapie mit Wickelverbänden oder medizinischen adaptiven Kompressionssystemen gut kontrolliertes Ödem kann das Risiko, Phlegmone zu bekommen, um 40% reduzieren.
Gemeinsam mehr erreichen – Erfolgreiches Selbstmanagement
Welche zentrale Rolle die Zusammenarbeit von Arzt, Sanitätshaus, Therapeut und Patient spielt, zeigten Prof. Nele Devoogdt und ihre Kolleginnen des Universitätsklinikums Leuven (Belgien) eindrucksvoll in ihrer Präsentation „Von der Klinik bis zum Selbstmanagement zu Hause; die Behandlung von Lymphödemen aus Sicht des Patienten und des medizinischen Fachpersonals (Abb. 1, 2). Eine vollständige Geschichte.“ Angefangen bei der richtigen Diagnose des Lymphödems inklusive einer Anamnese, bei der die Krankengeschichte ausführlich erfasst wird, einer körperlichen Untersuchung und anderer Untersuchungen wie Ultraschall oder Lymphszintigraphie. Bis auf wenige Fälle, bei denen operative Eingriffe zielführender sind, setzt das Team aus Leuven auf eine konservative Therapie mit einem Mix aus viel Bewegung, intensiver Hautpflege, Kompressionstherapie und edukativer Schulung der Patienten. Bei Bedarf unterstützen Psychologen, Ernährungsberater und Sozialarbeiter die Patienten während ihrer stationären Behandlung. „Ziel ist es, den Betroffenen ein tieferes Verständnis für ihre Krankheit zu vermitteln und Methoden aufzuzeigen, wie sie ihr Lymphödem eigenständig beziehungsweise mit punktueller fachlicher Unterstützung in den Griff bekommen“, erklärt Prof. Nele Devoogdt den Ansatz. „Dazu zeigen wir ihnen praktische Übungen für die Entstauung und geben Tipps zum fachgerechten Anlegen der Kompressionsversorgungen. Aus unserer Erfahrung können nur umfassend geschulte Patienten Verantwortung für eine wirkungsvolle Therapie übernehmen.“
Aufgrund ihrer langjährigen Praxiserfahrung weiß An-Kathleen Heroes, Physiotherapeutin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lymphödem Zentrum des Universitätsklinikum Leuven (Belgien): „Die Wahl der richtigen Kompressionsstrümpfe spielt eine entscheidende Rolle, um das Lymphödem zuverlässig zu kontrollieren. Kompressionstherapie ist immer individuell und bei jedem Patienten anders. Hier braucht es gut ausgebildetes Fachpersonal, das umfassend berät, Maß nimmt und hilfreiche Tipps gibt zu Anziehhilfen und passenden Zusätzen für eine optimale Versorgung.“
Der Patient im Mittelpunkt
medi Experten aus aller Welt gaben am zweiten Tag Einblick in ihre Arbeit und in Behandlungsmethoden bei Lip- und Lymphödem. So berichtete Midori Yabunaka, Clinical and Educational Manager medi Japan, wie erfolgsentscheidend eine frühzeitige Kompressionstherapie bei Krebspatienten sein kann, um Begleiterkrankungen wie zum Beispiel Ödeme in den Beinen abzuschwächen (Abb. 2).
Ein erfülltes Leben trotz Lymphödem
Den emotionalen Abschluss des Symposiums bildete Esther Beltrán mit ihrer sehr persönlichen Geschichte über ihren Umgang mit Lymphödem infolge eines Mamma-Karzinoms. 2012 erhielt die Spanierin mit 48 Jahren die Diagnose Brustkrebs. Es folgten zahlreiche Untersuchungen und eine Operation, bei der befallene Lymphknoten aus der Achselhöhle entfernt wurden. Nach der anschließenden Chemotherapie inklusive einer schwerwiegenden Lungen- und Herzbeutelentzündung entwickelte sich bei Esther Beltrán ein Lymphödem mit Stadium III. Seitdem geht sie regelmäßig zur Lymphdrainage und trägt täglich einen Kompressionsarmstrumpf, den mediven 550 Arm „Der medizinische Kompressionsstrumpf ermöglicht mir einen Alltag ohne Schmerzen – ohne ihn schwillt mein Arm sofort wieder an. Ich liebe die vielen Farben und Designs und habe für jedes Outfit die farblich passende Versorgung. Manche halten das medizinische Hilfsmittel sogar für ein stylishes Accessoire und sind überrascht, wenn ich sie aufkläre.“ Mittlerweile ist Esther Beltráns Lymphödem gut unter Kontrolle und der Unterschied zum rechten Arm hat sich von anfänglichen 6 cm auf 3 bis 4 cm Umfang reduziert – und: aktuell ist sie krebsfrei. Ihr Rat an alle Betroffenen: „Sucht Kontakt zu anderen Patienten, tauscht euch aus. Habt Geduld mit Familie und Freunden. Bleibt positiv, genießt das Leben und verliert nie die Hoffnung. Die Forschung schreitet so schnell voran und die Überlebensrate steigt von Jahr zu Jahr. Entscheidend sind die kleinen Dinge im Leben.“
Surftipps:
www.medi.de/veranstaltungen
www.youtube.com/medicampus
Zweckbestimmung: mediven® 550 Arm: Flachgestrickte medizinische Kompressionsversorgung zur Kompression der oberen Extremitäten, hauptsächlich bei der Behandlung von Erkrankungen des Venen- oder Lymphgefäßsystems.
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1 Child A et al. Lipedema: An inherited Condition. Am J Medical genetics. Part A, 2010, 152A(4): 970–76.
2 Grigoriadis D et al. Investigation of clinical characteristics and genome associations in the ‘UK Lipoedema’ cohort. 2021; www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.06.15.21258988v1.full-text (Letzter Zugriff: 29.07.2022)