Die kürzlich aktualisierte S3-Leitlinie „Lokaltherapie schwer heilender und/oder chronischer Wunden aufgrund von peripherer, arterieller Verschlusskrankheit (PAVK), Diabetes mellitus, chronischer venöser Insuffizienz“1 stellt einen Beitrag zur Vereinheitlichung der Wunddiagnostik und -behandlung dar, um langwierige Heilungsverläufe, die sich erst aufgrund von Fehlversorgungen in den verschiedenen Versorgungsebenen entwickeln, zu vermeiden.

Nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) leiden in Deutschland zwischen 3 und 4 Millionen Menschen an chronischen Wunden.2 Der weitaus größte Anteil (ca. 80%) ist auf eine Erkrankung des arteriellen sowie venösen Gefäßsystems zurückzuführen. Zahlreiche epidemiologische Studien zeigen in der Bevölkerung eine Prävalenz der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) von 3–10%, die mit dem Lebensalter ab 70 Jahren auf 15–20% ansteigt.3 Diabetiker:innen sind davon besonders betroffen; 2–10% leiden an Fußulzerationen, die sich auf die Lebenserwartung mindernd auswirken können.

Im Oktober wurde die Aktualisierung der S3-Leitlinie zur Lokal­therapie von schwer heilenden Wunden unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung e.V. (DGfW) unter Mitwirkung von 22 weiteren Mitgliedsgesellschaften der AWMF abgeschlossen und dem AWMFRegister hinzugefügt. Die Leitlinie soll als interdisziplinäre und berufsgruppenübergreifende Handlungsempfehlung für die Versorgung von Patienten mit besonderen Risikofaktoren dienen.

Die Leitlinie bildet den wissenschaftlichen Stand und den daraus resultierenden von Expertinnen und Experten definierten mindestens erforderlichen „State of the Art“ der Wundtherapie ab. Es wurde davon ausgegangen, dass die Diagnostik und Therapie der Grunderkrankung sowie die Basisprinzipien der lokalen Wundbehandlung nicht durchgehend in allen Versorgungsebenen umgesetzt sind und sich erst aus Fehlversorgungen langwierige Heilungsverläufe entwickeln, die eigent­lich vermeidbar wären. So soll die Leitlinie dem medizinischen Fachpersonal als Grundlage für die evidenzbasierte Wundbehandlung und zur Entscheidungsfindung dienen.

Die Leitlinie fokussiert sich auf die Lokaltherapie von schwer heilenden Wunden bei PAVK, chronischer venöser Insuffizienz (CVI) oder Diabetes mellitus. Sie stützt sich auf eine systematische Literaturanalyse und Konsensfindung. Neben einer gesicherten Diagnose zur Wundursache, der Therapie der Grunderkrankung und einer zielorientierten Lokaltherapie steht auch die Verbesserung der Lebensqualität im Fokus eines individuellen, an den Patientenpräferenzen orientierten Therapiekonzeptes.
Die Lokaltherapie von Beinulzerationen erfordert unbedingt die Identifizierung der Grunderkrankung und als wesentliches Fundament die adäquate leitliniengerechte Kausaltherapie. Deshalb wird empfohlen, dazu die verfügbaren, entsprechenden Leitlinien zu berücksichtigen.

Ferner ist die Beachtung wundspezifischer und patientenbezogener Risikofaktoren entscheidend für den Heilungsverlauf. Wundbehandlungsprodukte sollen das physiologische Wundmilieu erhalten, vor Eintritt von Fremkörpern und Mikroorganismen schützen und ein gutes Aufnahme- und Rückhaltevermögen für Exsudat aufweisen. Der Nachweis der Wirksamkeit vieler physikalischer Interventionen fehlt bisher, daher sollte ihre Anwendung strengen, therapiezielorientierten Indikationen folgen.

Wunden anderer Genese, wie z. B. Druckgeschwüre oder durch Tumoren verursachte, werden durch die Leitlinie nicht abgebildet.

Die Autoren betonen, dass zur verbesserten Versorgung von Menschen mit schwer heilenden Wunden eine strukturierte Zusammenarbeit von Ärzten, Pflegefachkräften und therapeutischen Gesundheitsfachberufen auf Basis evidenzbasierter und patientenorientierter Behandlungspfade notwendig ist.

Die Leitlinie soll in den kommenden zwei Jahren schrittweise in eine Living Guideline überführt und jährlich aktualisiert werden. (mk)

Die S3-Leitlinie ist online abrufbar:
https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/091-001

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1​ DGfW: S3-Leitlinie: Lokaltherapie schwerheilender und/oder chronischer Wunden aufgrund von peripherer arterieller Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus oder chronischer venöser Insuffizienz; Stand: 31.10.2023; www.awmfonline.de, AWMF-Register-Nr. 091-001
2 BMG: Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung. Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG2016. www.bundesgesundheitsmini­terium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/H/HHVG_RefE.pdf
3​ Deutsche Gesellschaft für Angiologie e.V. (DGA): S3-Leitlinie: Periphere arterielle Verschlusskrankheit, Diagnostik, Therapie und Nachsorge; Stand: 27.04.2016; www.awmfonline.de, AWMF-Register-Nr. 065-003