Deutsches Patient Blood Management Netzwerk

Patient Blood Management (PBM) ist ein medizinisches Konzept zur Steigerung der Patientensicherheit durch Stärkung der körpereigenen Blutreserven. Entsprechende Programme werden weltweit gefördert, doch bislang gibt es wenig Daten, die die Versorgung mit bzw. ohne diese Programme direkt miteinander verglichen haben. In einer großen deutschen Studie wurden nun bei mehr als 1,2 Millionen chirurgischen Patienten klinische Parameter wie Erythrozyten-Verbrauch, Transfusionsraten, Mortalität im Krankenhaus und postoperative Komplikationsraten vor und nach Einführung von PBM-Programmen gegenübergestellt.

Aufgrund der COVID-19-Pandemie und der Überalterung der Bevölkerung sind die weltweiten Blutspenden und Reserven an Blutprodukten stark eingeschränkt. Bereits im Jahr 2010 rief die Weltgesundheitsorganisation alle Mitgliedstaaten dazu auf, PBM-Programme einzuführen. Deren wichtigste Grundsätze sind die frühzeitige Erken­nung und angemessene Behandlung von Anämie, die Aufrechter­hal­tung der Hämoglobin-Konzentration, die Optimierung der Hämostase und die Minimierung des Blutverlustes bei chirurgischen Patienten.

Pilotstudie des deutschen PBM-Netzwerks

Im Jahr 2014 wurde das deutsche PBM-Netzwerk initiiert, um deutsche Krankenhäuser zu unterstützen, die ein Interesse an der Steigerung der Patientensicherheit und der Einsparung von Blutkonserven haben. Eine Pilotstudie mit 129.719 chirurgischen Patienten an 4 deutschen Universitätskliniken zeigte, dass die Umsetzung eines multimodalen PBM-Programms sicher war und die durchschnittliche Anzahl der transfundierten Erythrozyten-Einheiten pro Patient signifikant um 17% reduzierte.

In einer Metaanalyse, die 17 Studien mit 235.779 chirurgischen Patienten einschloss, ging die Umsetzung eines umfassenden PBM-Programms mit einer signifikanten Reduktion der Transfusionsrate um 39%, der Krankenhausverweildauer um 0,45 Tage, der Komplikationsrate um 20 % und der Mortalitätsrate um 11% einher.

Folgestudie des deutschen PBM-Netzwerks

Bei der weltweiten Förderung der Einführung von PBM-Programmen, z. B. in Westaustralien, den USA, Europa, Indien und der Türkei, wurde ebenfalls festgestellt, dass sie mit besseren klinischen Ergebnissen und zudem mit geringeren Kosten verbunden sind. Die wen­igen Studien, in denen die Auswirkungen von PBM-Maßnahmen im Vergleich zur derzeitigen Praxis untersucht wurden, kamen jedoch zu einer kritischeren Bewertung des PBM und forderten weitere, qualitativ hochwertige Studien. Vor diesem Hintergrund wurden in einer deutschen Folgestudie die Wirksamkeit und Sicherheit (Nicht-Unterlegenheit) einer Implementierung von PBM-Programmen anhand der klinischen Daten von mehr als 1,2 Millionen chirurgischen Patienten analysiert, die im deutschen PBM-Netzwerk registriert sind.

Hierbei handelte es sich um alle stationär behandelten Patienten ab 18 Jahre aus 14 Krankenhäusern (5 universitäre und 9 nicht universitäre Kliniken), die sich einer Operation unterzogen und zwischen dem 1. Januar 2010 und dem 31. Dezember 2019 entlassen wurden. Die PBM-Programme der Kliniken konzentrierten sich auf drei Bereiche: präoperative Optimierung der Hämoglobin-Konzentration, blutsparende Techniken und die Einhaltung von Vorgaben und Standardisierungen bei der Transfusion allogener Blutprodukte.

Signifikante Reduktion der Erythrozyten-Transfusionsrate

In der prospektiv angelegten, multizentrischen Studie wurden mit Hilfe von elektronischen Krankenhausinformationssystemen retrospektiv, fallbezogen die Daten von 1.201.817 Patienten analysiert: 441.082 Patienten (36,7%) vor und 760.735 Patienten (63,3%) nach Einführung der PBM-Programme. Ein Vergleich der beiden Kohorten zeigte eine erhebliche Verringerung des Erythrozyten-Verbrauchs durch das PBM-Programm. Die durchschnittliche Anzahl der transfundierten Erythrozyten-Einheiten pro 1.000 Patienten betrug 547 in der PBM-Kohorte gegenüber 635 in der Prä-PBM-Kohorte, was einer relativen Reduktion um 13,9% entspricht.

Zugleich ließ sich durch Einführung der PBM-Programme die Erythrozyten-Transfusionsrate signifikant reduzieren (9,4% vs. 10,5%), hier betrug die relative Reduktion 10,5% und die Odds Ratio 0,86 (p < 0,001). Die höchsten relativen Reduktionen der Erythrozyten-Transfusionsrate wurden in der Herzchirurgie, Urologie, Neurochirurgie, Gynäkologie und Gefäßchirurgie beobachtet (Abb. 1). Die Reduktion der Erythrozyten-Transfusionsrate war am deutlichsten in Krankenhäusern mit erhöhter Transfusionsrate in der Prä-PBM-Phase. Häuser, die von Anfang an eine niederige Transfusionsrate hatten, erzielten hingegen geringere Verbesserungen.

Die Analyse zeigte einen Zusammenhang zwischen dem Umsetzungsgrad der PBM-Maßnahmen und der Reduktion der Erythrozyten-Transfusionen: So war die Odds Ratio für die Reduktion der Erythrozyten-Transfusionen in Krankenhäusern mit einer 80- bis100-prozentigen Implementierung geringer als bei Krankenhäusern mit einem Umsetzungsgrad von 40–70%. Die Krankenhausverweildauer konnte in der PBM-Gruppe etwas verkürzt werden (median 4,0 vs. 5,0 Tage).

Nicht-Unterlegenheit bei der Sicherheit

Der zusammengesetzte Endpunkt zur Sicherheit, der die Mortalität im Krankenhaus und ausgewählte postoperative Komplikationen (Myokardinfarkt, ischämischer Schlaganfall, akutes Nierenversagen mit Nierenersatztherapie, Sepsis, Pneumonie) umfasste, war in der PBM-Kohorte gegenüber der prä-PBM-Kohorte zwar leicht erhöht (5,8% vs. 5,6%, OR 1,06): So betrugen die Mortalität im Krankenhaus 1,9% vs. 1,9% und die Komplikationsraten hinsichtlich Pneumonie 2,7% vs. 2,5%, Sepsis 1,8% vs. 1,7 %, Myokardinfarkt 0,4% vs. 0,5%, ischämischer Schlaganfall 0,7% vs. 0,7% und akutes Nierenversagen mit Nierenersatztherapie 1,2% vs. 1,1%. Doch das Ziel der Studie, die Nicht-Unterlegenheit der PBM- im Vergleich zur prä-PBM-Kohorte bei diesem Sicherheitsendpunkt, wurde erreicht.

Fazit für die Praxis

Diese Analyse von 1,2 Millionen Patienten zeigte, dass die Einführung von PBM-Programmen in 14 deutschen Kliniken die Sicherheit bei chirurgischen Eingriffen nicht beeinträchtigte und zugleich die Notwendigkeit von Erythrozyten-Transfusionen deutlich verringerte.
(Petra Eiden, Berlin)

Originalpublikation:
Meybohm P, Schmidt E, Choorapoikayil S et al. German Patient Blood Management Network: effectiveness and safety analysis in 1.2 million patients. Br J Anaesth. 2023; 131(3): 472–81

Abb. 1: Reduktion der Erythrozyten-Transfusionsrate durch Einführung
von PBM-Programmen in verschiedenen chirurgischen Abteilungen von
14 deutschen Kliniken (modifiziert).