In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Prävalenz der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) um bis zu 50% zugenommen.1, 2 Leider bleibt eine beträchtliche Anzahl von Betroffenen unentdeckt, da es an Bewusstsein für die Bedeutung von OSA mangelt, Fachärzte knapp sind und der Diagnoseprozess zeitaufwendig und mit langen Wartezeiten bei den Schlaflaboren verbunden ist. Darüber hinaus gibt es in Deutschland viele Patienten, die trotz einer diagnostizierten OSA unbehandelt bleiben.3 Dies kann zu erhöhter Morbidität, Mortalität und einem erhöhten Unfallrisiko aufgrund von Sekundenschlaf führen. Eine Studie zeigt, dass die Anwendung der Überdrucktherapie (Positive Airway Pressure, PAP) das Mortalitätsrisiko innerhalb der ersten vier Behandlungsjahre um 13% reduzieren kann.3 Im Rahmen eines Symposiums während des Pneumologen-Kongresses 2023 wurden auch laufende telemedizinische Projekte im Bereich der Beatmungsmedizin vorgestellt.

Schlafapnoe (obstruktiv und zentral) werden mit einem erhöhten Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse, Schlaganfall und Sterblichkeit in Verbindung gebracht. Positiver Atemwegsdruck (PAP) – entweder kontinuierlich (CPAP) oder als adaptive Servoventilation (ASV) – bietet symptomatische Erleichterung. Die positive Wirkung der PAP-Therapie auf das Outcome konnte jedoch in randomisierten kontrollierten Studien (RCT) bei Patienten mit OSA bisher nicht nachgewiesen werden.4 Denn RCTs weisen eine Reihe von Einschränkungen auf, darunter die zu kleinen Stichprobengrößen, die Patientenselektion, eine geringe PAP-Adhärenz und eine geringe Zahl von Mortalitätsereignissen, so Prof. Dr. Michael Arzt, Leiter des Schlaflabors am Universitätsklinikum Regensburg.

CPAP-Therapie bei OSA und Outcome

Dagegen setzten Beobachtungsstudien laut Arzt bereits ein Signal, dass unbehandelte Patienten mit schwerer OSA im Vergleich zu CPAP-therapierten eine deutlich schlechtere Prognose hinsichtlich fataler kardiovaskulärer Ereignisse haben5 und dass eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen der PAP-Adhärenz und dem Auftreten von schwerwiegenden Ereignissen besteht.6 Allerdings fehlt es bei Beobachtungsstudien an einer randomisierten Placebo-Kontrollgruppe und es müssen viele Faktoren berücksichtigt werden.

Eine französische Datenbankanalyse, präsentiert von Holger Woehrle vom Lungenzentrum Ulm/Schlaf- und Beatmungszentrum Blau­beuren, analysierte zwei Gruppen mit jeweils 88.000 OSA-Patienten.7 Die Patienten, die die CPAP-Therapie nach mindestens einem Jahr abbrachen, hatten in den folgenden drei Jahren eine schlechtere Prognose im Vergleich zu denen, die die Therapie fortsetzten.

Aktuelle deutsche Real-World-Daten

Woehrle stellte die PATHOS*-Studie vor. Um die Auswirkungen der PAP-Therapie auf das Outcome von Patienten mit OSA in Deutschland zu untersuchen, wurden von Schlafforschern die Leistungsdaten aus den Jahren 2015 bis 2020 von 4,9 Millionen Versicherten aus der Datenbank der Betriebskrankenkassen untersucht.3 Die retrospektive Analyse umfasst eine Interventionsgruppe (n = 12.297) mit PAP-Therapie und eine Kontrollgruppe (n = 10.020) ohne Therapie. Durchschnittlich waren die Patienten 58 Jahre alt und 67% waren männlich. Laut Woehrle überraschte die hohe Quote von diagnostizierten aber unbehandelten OSA-Patienten. Die OSA-Patienten wurden nach verschiedenen Variablen, u. a. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, Nierenerkrankungen, Krebserkrankungen, gematcht. Insgesamt konnten dann 8.768 eingeschlossene Patienten in beiden Gruppen analysiert und über 4 Jahre nachverfolgt werden.3

Da hier eine therapienaive Kontrollgruppe zur Verfügung stand, kam es zur aussagekräftigen Evidenz: Insgesamt betrug die Hazard Ratio für Mortalität 0,87 innerhalb der Nachbeobachtungszeit von vier Jahren. Dies entspricht einem 13% geringeren Mortalitätsrisiko durch die Anwendung einer PAP-Therapie.3 Die Studie unterstreicht die Bedeutung einer schnellen Diagnose und wirksamen Therapie bei OSA-Patienten. Woehrle betonte, dass das Bewusstsein für die Erkrankung geschärft und Hindernisse bei der Behandlung abgebaut werden sollten, um die Sterblichkeitsrate durch Schlafapnoe weiter zu senken.

Das Tele-PAP-Register

Um zusätzlich den Einfluss des OSA-Schweregrads auf das Outcome in Deutschland zu erhalten, läuft aktuell eine nicht-interventionelle Studie zur telemetrisch unterstützten PAP-Therapie und deren Einfluss auf die gesundheitsspezifische Lebensqualität bei OSA-Patienten. Mehrere somnologische Zentren haben rund 10.000 OSA-Patienten für das Tele-PAP-Register rekrutiert und über 2 Jahre telemetrisch nachverfolgt. „Der Vorteil dieser Analyse ist, dass detaillierte Daten über die Komorbiditäten und die Schweregrade verfügbar sind“, erläuterte Woehrle.

Alternative Tools bei OSA

Obwohl die CPAP-Therapie grundsätzlich geeigneter ist, bei OSA den Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) unter 5 zu bringen, kann eine Unterkiefer­protrusionsschiene (UKPS) jedoch auch den AHI reduzieren9, erklärte Arzt. Bei leichter bis mittelgradiger OSA können sowohl die CPAP-Therapie als auch die UKPS die Tagesschläfrigkeit gleich gut verringern.9 Bei schwer betroffenen OSA-Patienten ist die CPAP-Therapie überlegen. Als eine alternative Therapie für leichtere bis mittel­schwere OSA-Fälle und bleibt die UKPS bei über 50% dieser Patienten über 5 Jahre wirksam.10 Die Patientenzufriedenheit und die Therapietreue sind hoch.10 Die wichtigste langfristige Verbesserung besteht in der Verringerung der Tagesschläfrigkeit.10 Eine UKPS kann derzeit nur von einem vertragsärztlichen Schlafmediziner verordnet werden.

Woehrle wies als Präventions-Tool auf die erste zugelassene App namens „Dein Schlaf. Dein Tag“ hin. Das Smartphone kann damit über ein Sonar­system die Schlafqualität abschätzen.

Die Behandlung von Insomnie sei für Schlafmediziner heraus­for­dernd, so Woehrle. Die kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I) ist die Methode der ersten Wahl. Inzwischen steht eine digitale KVT-I als Behandlungsoption zur Verfügung: Die App „Somnio“ ermög­licht über einen intelligenten Algorithmus den Dialog mit den Patienten. Ein digi­ta­les Schlaftagebuch gemäß DGSM-Standard ist dabei ein hilfreiches Werkzeug. Die App bietet auch ein nützliches Modul für die Komor­­bidität von Insomnie und OSA (COMISA).

Telemedizin in der außerklinischen Beatmung

Die steigende Anzahl beatmungspflichtiger Patienten in Deutschland und Europa verursacht höhere Kosten im Gesundheitssystem, berichtete Prof. Dr. Christoph Schöbel, Zentrum für Schlaf- und Telemedizin, Universitätsmedizin Essen. Eine Lösung könnte die Integration von telemedizinischen Ansätzen sein, um die Gesundheitsausgaben zu senken und die außerklinische Versorgung zu verbessern.8 Es sei wichtig, die Zuverlässigkeit und den tatsächlichen Nutzen der Tele­medizin evidenzbasiert zu untersuchen. Beatmungsgeräte erfassen bereits Therapiedaten, die von den Behandlern über eine telemedizinische Plattform, z. B. „AirView“ (ResMed), abgerufen werden können. Telemedizin gestattet die Vernetzung des interdisziplinären Behandlungsteams innerhalb und außerhalb der Klinik, erhöht die Therapiequalität und ermöglicht frühzeitige Interventionen sowie Anpassungen in Absprache mit Klinikärzten (Abb. 1). Dadurch könnten Klinikaufenthalte voraussichtlich vermieden werden, hofft Schöbel.

Abb. 1: Integrierte telemedizinische Versorgungswege der Zukunft (modifiziert nach C. Schöbel)

 

Laufende telemedizinische Modellprojekte

Schöbel stellte zwei laufende Modellprojekte vor:

Team_TeleVent: Telemedizin konnte während der Pandemie erfolgreich stationäre Kontrollen ersetzten. Basierend auf diesen Erfahrungen soll die Telemedizin in der multizentrischen Studie genutzt werden, um die teambasierte Nachsorge von außerklinisch beatmungspflichtigen Patienten transsektoral zu verbessern. Durch Auswertung der Beatmungsdaten in dem mit der Ruhrlandklinik verbundenen Telemedizinzentrum und Kommunikation mit Atmungstherapeuten können die Therapieadhärenz gesteigert und neue beatmungspflichtige Patienten mit nicht-invasiver Beatmung (NIV) besser begleitet werden. Im Rahmen des außerklinischen Beatmungsdienstes sind die Beatmungsdaten und Dokumentationen einsehbar und es kann in Videosprechstunden mit den Patienten kommuniziert werden. Die teambasierte, interdisziplinäre Zusammenarbeit hilft, bei Veränderungen die Beatmung zeitnah zu optimieren.

TIM-NIV: Im HomeVent (Connect)-Register werden Patienten mit neu eingeleiteter NIV bei COPD eingeschlossen. Es wird unter­sucht, wie die Beatmungsdaten zur Optimierung der NIV genutzt werden können. Telemonitoring wird zwar in verschiedenen Ländern eingesetzt, aber die Evidenz für seine Auswirkungen auf die COPD-Behandlung ist begrenzt. Es wird angenommen, dass die Fernüberwachung der häuslichen NIV-Behandlung helfen könnte, Früherkennungsprädiktoren für NIV-Versagen und Verschlechterungen bei COPD-Patienten zu identifizieren.

Resümee

Die neuen deutschen Real-World-Daten belegen eindrucksvoll, dass die PAP-Therapie bei OSA-Patienten das Mortalitätsrisiko um 13% reduzieren kann.3 Somit ist die effektive Behandlung von OSA auch unter gesundheitsökonomischen Aspekten kosteneffizient. Es ist wichtig, OSA frühzeitig zu diagnostizieren und wirksam zu behandeln, um die Morbidität und Sterblichkeitsrate zu senken. Ergänzend untersucht eine nicht-interventionelle Studie den Einfluss des OSA-Schweregrads auf die gesundheitsspezifische Lebensqualität bei telemetrisch unterstützter PAP-Therapie.

Die Integration von Telemedizin in die außerklinische Beatmung könnte dazu beitragen, die Gesundheitsausgaben zu senken und die Versorgung zu verbessern. Modellprojekte wie Team_TeleVent und TIM-NIV erforschen die Anwendung von Telemedizin für die Versorgung von beatmungspflichtigen Patienten. Diese Initiativen zielen darauf ab, die Therapiequalität zu erhöhen und frühzeitige Interventionen zu ermöglichen.

(mk)

Quelle:
Symposium „Modernes Management in der Schlaf- und Beatmungsmedizin -patienten­zentriert und innovativ“ anlässlich des 63. Kongress der DGP, Düsseldorf, 31.03.2023. Sponsor: ResMed Germany Inc.

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* Positive Airway pressure THerapy in Obstructive Sleep apnea – a propensity scrore (ps)-matching approach based on German health claims data

1 Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM): S3-Leitlinie Schlafbezogene Atmungsstörungen bei Erwachsenen; Stand: August 2017.
AWMF-Register Nr. 063/001
2 DGSM: Teil-Aktualisierung S3-Leitlinie Schlafbezogene Atmungsstörungen; Stand: 1. August 2020. AWMF-Register Nr. 063/001; DOI: 10.1007/s11818-020-00257-6)
3 H Woehrle et al. Impact of PAP Therapy on Mortality in OSA: Analysis of a German Healthcare Databas
4 Yu J, Zhou Z et al. JAMA. 2017; 318(2): 156–66. DOI: 10.1001/jama.2017.7967
5 Marin JM, Carrizo SJ et al. Lancet 2005; 365(9464): 1046–53. DOI: 10.1016/S0140-6736(05)71141-7
6 Gervès-Pinquie C,. Bailly S et al. Am J Respir Crit Care Med 2022; 206(11): 1393–404. DOI: 10.1164/rccm.202202-0366OC
7 Pépin JL, Bailly S, Rinder P et al. CHEST 2022; 161(6): 1657–65. DOI: 10.1016/j.chest.2022.02.013
8 Schöbel C, Waletzko C et al. Pneumologie 2021; 18(1): 27–33. DOI: 10.1007/s10405-020-00364-z
9 Sharples LD, Clutterbuck-James AL et al. Sleep Med Rev 2016; 27: 108–24. DOI: 0.1016/j.smrv.2015.05.003.
10 Vecchierini MF ,Attali V et al. J Clin Sleep Med 2021; 17(8): 1695–705. DOI: 10.5664/jcsm.9308