Die Nasale High-Flow Sauerstofftherapie (NHF) wird in Kliniken zunehmend eingesetzt, um Patient:innen mit akuter, hypoxämischer Ateminsuffizienz zu behandeln. Zudem hat sich in den letzten Jahren das Indikationsspektrum für die Verwendung von NHF erweitert. In jedem Segment des Managements eines respiratorischen Versagens (Akutversorgung, Präoxygenierung, Post-Extubation, Palliativmedizin) deutet zunehmende Evidenz gegenüber der konventionellen Low-Flow-Sauerstofftherapie auf Vorteile für die Patient:innen hin.

Prof. Dr. Hans-Joachim Kabitz, Lungenzentrum Bodensee am Klinikum Konstanz, wies auf das lesenswerte Review eines Expertengremiums hin, das gut zusammenfasst, welche physiologischen Effekte durch NHF bei hypoxämischem respiratorischen Versagen zu erwarten sind.1 So wird mit der Steigerung der Sauerstoffflussrate und einer adäquaten Atemluftbefeuchtung etwa linear anwachsend neben der Verbesserung der Oxygenierung auch ein geringer PEEP und zudem eine CO2-Auswaschung des Totraums der Atemwege erzeugt.1 Bei hohen Flussraten in Richtung 60L/min darf man z. B. auch Effekte auf das endexspiratorische Lungenvolumen und die Lungencompliance sowie eine Verringerung der Atemarbeit erwarten, konstatierte der Pneumologe. Diese Analyse fasst Einzelstudien zu einer gewissen Praxisanleitung zusammen, welcher potenzieller Nutzen durch Anwendung von NHF in verschiedenen Bereichen der Behandlung einer akuten, hypoxämischen Ateminsuffizienz im Vergleich zur Low-FlowSauerstofftherapie zu erwarten ist.1

Update NHF

Zum ersten Mal hat laut Kabitz ein Leitliniengremium für die klinische Praxis die derzeitige Evidenz in vier Empfehlungen für die NHF-Anwendung zusammengefasst.2 Es gibt eine starke Empfehlung für NHF bei hypoxämischem, respiratorischem Versagen im Vergleich zur konventionellen Sauerstofftherapie (moderate Certainty), eine bedingte Empfehlung für NHF nach Extubation (moderate Certainty) und eine bedingte Empfehlung für postoperative NHF bei Hochrisiko- und/oder adipösen Patient:innen nach Herz- oder Thoraxoperationen (moderate Certainty). In der Peri-Intubationsphase wird die NHF nicht empfohlen.2

Die Reintubation nach fehlgeschlagener Extubation ist mit einer erhöhten Mortalität und einer längeren Krankenhausaufenthaltsdauer verbunden. Gemäß einer Metaanalyse kann die NHF postoperativ bei Hochrisikopatient:innen, z. B. nach Herz-Thorax-Chirurgie, die Reintubationsrate im Vergleich zur herkömmlichen Sauerstoff therapie reduzieren, aber nicht im Vergleich zur NIV nach der Extubation.3

In einer randomisierten, offenen klinischen Studie, die in drei Notfall- und Intensivstationen durchgeführt wurde, verringerte bei schwerem COVID-19 (PaO2/FiO2 < 200) der Einsatz der NHF im Vergleich zur herkömmlichen Low-Flow-Sauerstofftherapie den Bedarf an mechanischer Beatmungsunterstützung und die Zeit bis zur klinischen Genesung.4

Der ROX-Index

Kabitz erläuterte zudem die Hintergründe des ROX (Respiratoryrate OXygenation)-Index, der zwar nicht top neu, aber im Internet nochmals als Update diskutiert wurde.5 Der ROX-Index bildet sich aus der puls oxymetrisch gemessenen Sauerstoffsättigung (SpO2) geteilt durch die inspiratorische Fraktion des Sauerstoffes (FiO2) und diese wiederum geteilt durch die aktuelle Atemfrequenz der Patienten.6

Zusammengefasst beschreibt der ROX-Index die Tatsache, dass je schlechter die periphere Sauerstoffsättigung bei höher werdenden FiO2-Werten und insbesondere bei zunehmender Atemfrequenz ist, bei diesem Kollektiv die Notwendigkeit einer invasiven Beatmung bedingt wird. Daraus ergibt sich laut Kabitz ein sehr wertvolles und in der klinischen Praxis gut anzuwendendes Werkzeug für die Einschätzung dieses speziellen Kollektivs. Ist der Wert > 4,88 nach 2, 6 oder 12 Stunden, dann sei nach Kabitz‘ Worten die Wahrscheinlichkeit, dass diese Patienten unter NHF in ein respiratorisches Versagen rutscht und dann intubiert werden muss, erstaunlich gering.6

Palliativmedizin und Dyspnoe

Die wesentlichen Ziele einer palliativmedizinischen Behandlung sind die Verminderung von Leiden wie Dyspnoe und Schmerzen sowie der Erhalt oder die Verbesserung der Lebensqualität, erläuterte Prof. Dr. Bernd Schönhofer, Universitätsklinikum OWL Bielefeld. Dabei kann Dyspnoe bei vielen, nicht nur bei pneumologischen Erkrankungen, im Verlauf des Endstadiums relativ früh und nicht erst in den letzten Tagen oder Wochen des Lebens auftreten. Opioide werden hier schon über Jahrzehnte als Therapieoption bei Dyspnoe und Schmerzen eingesetzt.7 Die Gabe von Sauerstoff sollte als primäre Option lediglich bei palliativen Patienten mit Dyspnoe eingesetzt werden, falls sie tatsächlich hypoxämisch sind.8 Die NIV lindert als palliative Maßnahme effektiv die Luftnot. Sie kann jedoch auch unkomfortabel sein, Essen und Trinken, die Kommunikation und Nähe zu Patient:innen erschweren und somit das Leiden verstärken. Deshalb wird in der Arbeit von Pisani klar formuliert, wann eine NIV beendet werden sollte9:

  • Patient:in verweigert die NIV-Fortführung
  • Intoleranz gegenüber der Maske oder der Beatmung, die die palliative Wirkung negiert
  • beeinträchtigter geistiger Zustand
  • Patient:in erlebt keine Linderung der Dyspnoe.

NHF in der Palliativmedizin

PNEUMOLOGIE Anzeige auswirken.8 Laut Leitlinien kann sich NHF positiv auf die Linderung von Dyspnoe bei fortgeschrittener hypoxämischer und hyperkapnischer Insuffizienz So lässt sich bei palliativen Notfall-Patient:innen im „DoNot-Intubate“-Status durch kurzzeitigen Einsatz von NHF die akute Atemnot deutlich reduzieren.10 Auch der Einsatz der NHF als Langzeit-Sauerstofftherapie zur palliativmedizinischen Behandlung der Luftnot sei prinzipiell vorstellbar, wird indes in den Leitlinien aufgrund der fehlenden Evidenz nicht empfohlen.8 Jedoch unabhängig von den Empfehlungen der Leitlinien, wird NHF auch außerhalb von Intensivstationen in verschiedenen realen, palliativen Situationen eingesetzt, weiß Schönhofer.

So wird NHF bspw. in Frankreich auch auf der Normalstation eingesetzt, wie ein Report über die Versorgung von palliativen, alten Patient:innen mit SARS-CoV-2-Infektion und Kontraindikation für die Verlegung auf ICU berichtet.11

Eine retrospektive Single-Center-Studie hat sich mit Lungenerkrankungen und respiratorischem Versagen beschäftigt.12 Um palliative Patient:innen mit Lungenerkrankungen und respiratorischem Versagen zu befähigen, das Krankenhaus zu verlassen und in der Intimität der Familie leben zu können, wurde über viele Wochen NHF unter häuslichen Bedingungen mit NIV verglichen. Die Untersuchung belegte, dass dieses Prinzip unter häuslichen Bedingungen über längere Zeit gleichwertig eingesetzt werden kann, so Schönhofer.

In einer weiteren retrospektiven Studie wurde bei unterschiedlichen palliativen Erkrankungsbildern (z. B. Pneumopathien, Karzinome, COPD im Endstadium) NHF und High-Flow-Sauerstoff via Tracheotomie eingesetzt.13 Wider erwarten hat die Tracheotomie-Gruppe länger als die unter NHF-Gruppe überlebt, kommentierte der Pneumologe. Es zeige aber auch, dass NHF zuhause funktioniert.

Schönhofer konstatierte, dass unbedingt kontrollierte prospektive Studien zum Einsatz von NHF in der Palliativmedizin benötigt werden.

(mk)

Quelle
Symposium „[Nasale] High-Flow Therapie – whatever it takes!“ anlässlich des 62. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP), Leipzig, 26. Mai 2022. Sponsor: Fisher & Paykel Healthcare GmbH.

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1 Ricard JD, Roca O et al. Intensive Care Med 2020; 46(12): 2238–47
2 Rochwerg B, Enav S et al. Intensive Care Med 2020; 46(12): 2226–37
3 Granton D, Chaudhuri D et al. Crit Care Med 2020; 48(11): e1129
4 Ospina-Tascón GA, Calderón-Tapia LE et al. JAMA 2021; 326(21): 2161–71
5 Roca O, Messika J et al. J Crit Care 2016; 35: 200–5
www.mdcalc.com/rox-index-intubation-hfnc
7 Johnson MJ, Currow DC. BMJ Support Palliat Care 2020; 10(3): 287–95
8 S2k-Leitlinie zur Langzeitsauerstofftherapie 2020; AWMF-Nr. 020-002
9 Pisani L, Hill NS et al., Chest 2018; 154(4): 925–34
10 Ruangsomboon O, Dorongthom T et al, Ann EmergMed, 2020; 75(5): 615–26
11 Lagier JC, Amrane S et al., Int J Infect Dis; 2021; 108: 1–3
12 Koyauchi T, Hasegawa H et al, Respiration 2018; 96(4): 323–29
13 Dolidon S, Dupuis J et al. Ther Adv Resp Dis 2019; 13: 1753466619879794