Dr. Raija Kramer, Linguistin

Dr. Jobst Landgrebe, Arzt, Biochemiker und Mathematiker

Künstliche Intelligenz (KI) soll die Krankenversorgung verbessern. Insbesondere in krisengeschüttelten Krankenhäusern hilft eine KI, Kosten zu senken, fehlende Fachkräfte zu kompensieren und gleichzeitig die Qualität in der Patientenversorgung zu steigern. Diesen Effekt erhofft man sich vor allem, indem eine KI Routinetätigkeiten in der Krankenversorgung und Verwaltung sowie bei der Analyse medizinischer Daten zur Entscheidungsunterstützung bei Diagnose und Therapie automatisiert. Auch Roboter­sys­teme und Augmented Reality sollen zukünftig verstärkt die Arbeit im Operationssaal unterstützen.

RAIJA KRAMER • JOBST LANDGREBE

Was ist von diesen Erwartungen zu halten?

Grundvoraussetzung für Entwicklung und Verfügbarkeit von KI-Anwendungen sind große Mengen von Daten, die Informationen (Gegenstände, Begriffe und Messungen der medizinischen Versorgungsroutine) enthalten, die in strukturierter, eindeutiger und maschinen-verarbeitbarer Form vorliegen. Erforderlich ist dafür ein durchweg digitalisiertes Gesundheitssystem, das im europäischen Vergleich aller­dings nur unterdurchschnittlich vorangeschritten ist. Diesen Rückschritt versucht die Bundesregierung seit 2020 durch gesetzgebende Maßnahmen auszugleichen. Unter diese Initiativen fallen u. a. das Krankenhauszukunftsgesetz, das Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz und diverse Änderungen des 5. Buches des Sozialgesetzbuches hinsichtlich der digitalen Infrastruktur im Gesundheitswesen.

Was aber kann KI dann im Krankenhaus wirklich leisten?

Im Krankenhaus ist KI bereits in der praktischen Anwendung und unterstützt vor allem in den Bereichen Diagnostik und Therapie oder optimiert klinische und administrative Abläufe.

In der Diagnostik wird KI erfolgreich genutzt, da die Verfahren zur Unterstützung der Bildauswertung in der Sonographie, Radiologie, Dermatologie, Gastro-, Kolo- und Bronchoskopie sowie in der Histo­patho­logie immer besser werden. Sie reduzieren die für die Befundung erforderliche Arbeitszeit bereits heute, besonders dann, wenn pro Befund viele Bilder durchmustert werden müssen, wie in der Histopathologie. Allerdings sind diese KI-Systeme zur Bildauswertung vor allem für hochspezialisierte Zentren relevant und werden laut Bitkom aktuell lediglich in 9 % aller Kliniken in Deutschland eingesetzt.

Ebenso können KI-Algorithmen Ergebnisse für Vitalparameter wie Herz- und Hirnströme, die über EKG und EEG gemessen werden, inzwischen sehr gut bewerten. Für die Auswertung der Rohdaten von Sensoren in medizintechnischen Implantaten für Patienten mit Herzrhythmusstörungen sind sie unabdingbar. Geräte zur Langzeitüberwachung von Herzpatienten sind eine gute Möglichkeit, Klinikärzte bei der Nachsorge zu entlasten, da andernfalls Präsenztermine für entsprechende Untersuchungen wahrgenommen werden müssten. Implantierbare Herzmonitore bspw. werden minimalinvasiv unter der Haut eingesetzt und zeichnen elektrokardiographische Signale des Trägers auf. Sie werden bei aktuellen Geräten meist drahtlos und in Echtzeit über Bluetooth-Technologie an ein externes System weitergeleitet, auf das medizinisches Fachpersonal Zugriff hat. Bei KI-basierten ICMs erkennt ein Algorithmus Arrhythmien auf der Basis klassifizierter elektrokardiographischer Vergleichsdaten und kann dann ggf. Warnhinweise geben und einen medizinischen Notfall melden. Wie die kürzlich veröffentlichte Studie „Artificial intelligence-guided screening for atrial fibrillation using electrocardiogram during sinus rhythm: a prospective non-randomised interventional trial“ zeigt, kann eine KI bei der EKG-Auswertung sogar Zeichen für Arrhythmien erkennen, wenn die Herzfrequenz zum Testzeitpunkt normal ist. Dies trägt zur Patientensicherheit bei und ermöglicht eine frühzeitige Diagnose und Therapieplanung.

Im Krankenhausbereich werden auch Echtzeit-Daten für KI-Anwendungen genutzt, die von Sensortechnologie, nämlich Realtime Location Services (RTLS), erzeugt werden. Mittels RTLS können Gegenstände (Medizintechnik, Fahrzeuge etc.) und Personen (Patienten und medizinisches Personal) geortet und diese Daten in Echtzeit übertragen und dokumentiert werden. Sie können in Zukunft in Kombination mit Daten aus der elektronischen Patientenakte dann als Grundlage von Algorithmen dienen, die z. B. Prognosen des Patientenaufkommens, der Personalverfügbarkeit oder Geräteauslastung ermöglichen. Diese Prognosen tragen dann zur Prozessoptimierung im Krankenhaus bei, da sie die Planung und den Einsatz von Personal und Ressourcen unterstützen und durch eine verbesserte Steuerung von Patientenströmen ungenutzte Wartezeiten vermeiden helfen. Noch ist der RTLS-Markt allerdings sehr klein, erfährt aber seit 2020 einen massiven Boom mit rund 25 % Jahreswachstum.

Das Krankenhaus der Zukunft: Werden Maschinen Mediziner ersetzen?

Maschinen können ausschließlich menschliche Tätigkeiten im Krankenhaus unterstützen. Sie können auf der Grundlage gewaltiger Inputdaten Muster in neuen Daten erkennen und so bei Diagnose- und Therapieentscheidungen unterstützen oder durch Monitoring und ggf. Alarmbenachrichtigung die Betreuung und Nachsorge von Patienten auch außerhalb der Einrichtung ermöglichen. Sie haben auch das Potenzial, in der Verwaltung eines Krankenhauses gute Diens­te zu leisten und die Effizienz der Arbeitsabläufe zu steigern.

Die Vorstellung eines Krankenhauses, das ohne medizinisches Per­so­nal auskommt, ist jedoch unrealistisch. Die Aufgaben eines Arztes sind derart heterogen und komplex, dass sie von einem KI-Sys­tem nicht übernommen werden können. Auch fehlt den Automaten die Möglichkeit, die klinische Situation in ihrer Gesamtheit (und nicht nur in dem Ausschnitt eines Röntgenbildes oder einer Sequenz elektrokardiographischer Signale) zu verstehen. Auch Zuwendungstätigkeiten von Pflegekräften und Ärzten, die zentral für eine gelungene Patientenversorgung sind, lassen sich nicht durch eine KI ersetzen. Emotionale künstliche Intelligenz ist keinesfalls eine Schlüsseltechnologie der Zukunft, sondern im Bereich literarischer Phantasie anzusiedeln. Auch soziale Beziehungen sind derart komplex und unvorhersehbar, dass kein KI-Sys­tem die Muster dieser Beziehungen emulieren kann. Maschinen werden Menschen nicht ersetzen. Sie können ihnen allerdings Routine- und kontextuell spezialisierte Arbeiten abnehmen und so dazu beitragen, dass Menschen im Krankenhaus wieder im Mittelpunkt stehen.

Autoren:
Dr. Raija Kramer und Dr. Jobst Landgrebe, beide Cognotekt GmbH
Robert-Heuser-Str. 15, 50968 Köln, https://cognotekt.com