Die Bekämpfung von Infektionen mit besonders aggressiven oder resistenten Erregern ist bei Intensivpatienten besonders herausfordernd. In einem Symposium im Rahmen des DIVI22 wurden adäquate Antibiotikatherapien anhand aktueller Daten diskutiert. Dazu wurde auch das Potenzial der kontinuierlichen Antibiotikatherapie bei tiefem Infektionsfokus beleuchtet.

Zur Behandlung von tiefen Infektions-Foci kann die kontinuierliche Infusion (CI) mit Antibiotika vorteilhaft sein, erläuterte PD Dr. med. Jörn Grensemann, UKE Hamburg. Eine CI ist für Substanzen, die oberhalb der minimalen Hemmkonzentration (MIC) wirken, Erfolg versprechend. Für Antibiotika, die eine gewisse ‚Aera under the Curve‘ (AUC) oberhalb der MIC des pharmakokinetischen Konzentra­tionsverlaufs benötigen (z. B. Vancomycin) ist die CI aber nur bedingt sinnvoll, so der Intensivmediziner. Für konzentrationsabhängige, über die Spitzenspiegel wirkende Antibiotika (z. B. Aminoglyko­side), ist die kontinuierliche Gabe gar nicht geeignet.

In einer retrospektiven Studie konnte bei postoperativen intrakraniellen Infektionen mit gramnegativen Erregern mit CI von Ceftadizim eine permanente, mit der intermittierenden Gabe fast immer eine Plasmakonzentration oberhalb der MIC für Pseudomonas aeruginosa und Enterobacterales erreicht werden.1 Am Fokus im Liquor wurde jedoch mit der intermittierenden Infusion die MIC für Ceftadizim bei Enterobacterales (4μg/mL) kaum oder nur kurzzeitig, die MIC für P. aeruginosa (8μg/mL) gar nicht überschritten. Mit der CI überschreitet man nach Anflutung dauerhaft die MIC für Enterobacterales und auch die MIC für P. aeruginosa. Auch bei beatmungsassoziierten Pneumonien (VAP) lässt sich mit der CI eher als mit intermittierender Applikation von Ceftazidim im epithelialen Lungengewebe der benö­tigte Wirkspiegel für P. aeruginosa erreichen.2

Eine der wenigen prospektiven, randomisierten Studien untersuchte Sicherheit und Wirksamkeit von CI von Linezolid bei kritisch kranken Patienten (n = 179) mit VAP versus der intermittierenden Infusion.3 Hier zeigte sich, dass in der CI-Gruppe (n = 92) häufiger eine klini­sche Heilung erreicht wurde als in der Vergleichsgruppe (61% vs. 46%, p = 0,046) und signifikant seltener eine Sepsis (28,3% vs. 47,9%,
p = 0,009) aufgetreten ist.

Therapeutisches Drug Monitoring

Eine Hamburger retrospektive Untersuchung bei Patienten mit nosokomial erworbener Ventrikulitis zeigte, dass die Liquorgängigkeit je nach Substanz mehr oder weniger schwierig aus dem Serumspiegel abzuleiten ist.4 „Idealerweise müsse man die Liquorspiegel bestimmen“, bemerkte Grensemann. Da es bei der intermittierenden Infusion entsprechend der Pharmakokinetik zu lokalen Konzentrationsschwankungen (Anflutung, Abklingen) kommt, hängt die gemessene Konzen­tration im Liquor oder im Gewebe davon ab, zu welchem Zeitpunkt nach der Infusion die Blutabnahme erfolgt. Daher hält es Grensemann für nicht praktikabel, in Abhängigkeit vom Messzeit­punkt valide Konzentrationen im Liquor zu berechnen. Dem gegenüber stellt sich nach einer CI nach einer gewissen Zeit ein Fließgleich­gewicht ein. Damit sei es einfacher, die lokale Wirkkonzentration an den Foci zu optimieren. Zu jeder Zeit ist ein therapeutisches Drug Monitoring (TDM) möglich.

Das Risiko, in den Bereich toxischer Spiegel zu geraten, kann man mit einer CI und einem adäquaten TDM umgehen. Das bestätigte eine retrospektive, multizentrische Kohorten-Studie sowie ein systematischer Review, der die Sicherheit und Wirksamkeit von CI versus intermittierende Antibiotika-Infusionen analysierte.4, 5 Es zeigte sich hinsichtlich Outcome und Nephrotoxizität ein signifikanter Vorteil für die CI. In einer prospektiven Studie trat unter der CI von Linezolid bei VAP die Thrombozytopenie signifikant seltener auf als unter intermittierender Infusion.3 „Leider gibt es hierzu aus Studien noch keine ‚harten‘ Out­come-Daten“, kommentierte Grensemann.

CI bei multiresistenten gramnegativen Bakterium

In einem Fallbericht wird über die erfolgreiche, TDM-geführte Antibiotikatherapie einer durch einen Carbapenem-resistenten Klebsiella pneumoniae verursachte VAP und Bakteriämie berichtet.7 Im Resis­togramm zeigte sich das multiresistente gramnegative Stäbchenbakterium nur noch gegenüber Fosfomycin und am Breakpoint gegenüber dem Aminoglykosid Gentamycin empfindlich. Das Bakterium war formal resistent gegenüber Meropenem. Die MIC lag mit 16mg/L oberhalb des EUCAST Breakpoints von 8mg/L. Die Autoren entschieden sich dennoch für eine CI von hochdosiertem Meropenem plus Fosfomycin. Da man mit der initialen Dosierung von Meropenem (6g/d) suboptimale Spiegel ge­mes­sen hat, erhöhte man die Dosis auf bis zu 11g/d. Die CI von Fosfomycin wurde mit der Maximaldosis (24g/d) begonnen, konnte nach TDM aber auf 16g/d gesenkt werden. Zeitgleich fielen CRP und PCT ab. Während am Anfang die bronchoalveoläre Lavage (BAL) und die Blutkulturen positiv waren, kam es im Verlauf der Therapie zu deren Negativität, so dass dieser Patient mit der CI zweier Antibiotika gesunden konnte.

Schlussfolgerungen:

  • CI erhöht die Konzentration am Infektionsfokus und die Zeit über MIC und bewirkt dadurch wahrscheinlich eine höhere Keimzahlreduktion.
  • CI ermöglicht zeitunabhängiges TDM zur Optimierung der lokalen Zielkonzentration, was bei einen tiefsitzenden Infektionsfokus extrem wichtig ist.
  • CI reduziert toxische Spitzenspiegel. Das wird jedoch noch nicht anhand der bislang verfügbaren Outcome-Daten widergespiegelt.

Carbapenem-sparing bei der ESBL-Therapie

Multiresistente, gramnegative Enterobacterales bleiben eine Herausforderung, denn die Resistenzen nehmen ständig zu, stellte Dr. med. Klaus-Friedrich Bodmann, Stabstelle Infektiologie der Kliniken Nord­oberpfalz, fest. In 2020 waren über die Hälfte der Escherichia coli laut EARS-Net gegenüber mindestens einer Antibiotika-Klasse resistent. In Deutschland stagniert die Rate an ESBL-E. coli auf Intensivstationen nach 20 Jahren auf hohem Niveau (ca. 19%). Auf der Basis nicht-randomisierter Studien sieht man Carbapeneme als Therapie der ersten Wahl bei invasiven ESBL-E. coli. Deshalb verdreifachte sich der Verbrauch an Carbapenemen innerhalb der letzten 20 Jahre.8 In Deutschland waren 2020 Carbapenem-Resistenzen (CR) noch selten.9

Alternativen zu Carbapenemen

Bodmann gab einen Überblick über die möglichen Antibiotika-Klassen, die als Alternative zu Carbapenemen zur Behandlung von ESBL-Infektionen dienen könnten. Seiner Meinung nach kann man jedoch nur Fosfomycin als Ersatz in Erwägung ziehen. So wurde in der propektiven ZEUS-Studie bei 465 Patienten mit komplizierten Harnwegsinfektionen (cUTI/PN) durch verschiedene resistente gramnegative Erreger – inklusive CR und ESBL – i.v. Fosfomycin in der Mono­therapie mit einer Piperacillin/Tazobactam-Therapie verglichen.10 Es ergab sich bei ESBL-Infektionen eine gleichwertige klinische Heilung um 92%. Tendenziell war Fosfomycin bei der mikrobiellen Eradikation Piperacillin/Tazobactam überlegen.

Ergebnisse der FOREST-Studie

Bodmann erläuterte eine randomisierte, offene Nicht-Unterlegenheitsstudie (FOREST) an 22 spanischen Krankenhäusern, die in JAMA publiziert wurde.11 Es wurde die Therapie von bakteriellen, komplizierten Harnwegsinfektionen durch multiresistente E. coli mit i.v. Fosfomycin (4x 4g) gegen Meropenem (3x 1g) oder Ceftriaxon (1x 1g) verglichen. Trotz Ergänzung durch einen Ceftriaxon-Arm konnten statt 94 Patienten pro Gruppe nur 70 bzw. 73 eingeschlossen werden. Für beide Vergleichsarme galt eine Sequenzial-Therapie, erst i.v., dann nach 4 Tagen oral.

Der primäre Endpunkt, die klinische und mikrobiologische Heilung beim Test-of-cure-Besuch 5–7 Tage nach Behandlungsende in der MITT-Population, wurde verfehlt. Der sekundäre Endpunkt ‚klinische Heilung‘ fiel allerdings in der Fosfomycin-Gruppe tendenziell besser als in der Vergleichsgruppe aus (96,7% vs. 90,1%). Die Wirkung auf die mikrobiologische Heilung war in der Fosfomycin-Gruppe gleichwertig (82,8% vs. 85,8%). Es gab dabei keine relevanten Unterschiede hinsichtlich 30-Tage-Mortalität, Rezidiv- oder Reinfektionsrate sowie Krankenhausverweildauer.

Schwere Harnwegsinfektionen durch ESBL-E. coli können also mit Fosfomycin in Monotherapie in hoher Dosierung (16–18g/d) erfolgreich behandelt werden, folgerte Bodmann. Fosfomycin ist therapeutisch äquivalent zu Meropenem, dem Goldstandard bei ESBL-Infektion. Als zusätzlicher Benefit treten nach Fosfomycin-Therapie keine ß-Laktam- oder Fosfomycin-resistenten Darmkeime auf. Fosfomycin befeuert also nicht das Resistenz-Karussell im Darm-Mikrobiom.

Antibiotikawahl bei S. aureus-Bakteriämie

Staphylococcus aureus ist nach E. coli der häufigste Erreger von Blut­strominfektionen. Die S. aureus-Bakteriämie (SAB) wird durch sekundäre Foci kompliziert und verläuft meist schwer mit einer Letalitätsrate von 20–30%.12 Auch ein Einzelnachweis von S. aureus in einer Blutkultur ist niemals nur eine ‚Verunreinigung‘, sondern potenziell ein lebensbedrohliches Ereignis, erläuterte PD Dr. med. Stefan Hagel, Universitätsklinikum Jena.13 Je länger die Blutkultur bei einem infizierten Patienten positiv bleibt, umso mehr septische Absiedlungen treten z. B. als Endokarditis, Spondylodiszitis oder Arthritis auf.14

Welche Antibiotika bei MSSA-Bakteriämie?

Viele Daten belegen, dass Therapien mit Flucloxacillin oder Cefazolin bei Bakteriämien durch Methicillin-sensiblen S. aureus (MSSA) das beste Outcome haben. Da die gramnegativ wirksamen Antibiotika nicht so effektiv auf den einzelnen grampositiven Erreger wirken, soll man laut Hagel z. B. Piperacillin/Tazobactam oder Ampicillin/Sulbactam nicht zur Therapie einer SAB verwenden.

Therapie bei MRSA-Bakteriämie

Daten aus 8 retrospektiven Studien mit insgesamt 1.226 Patienten mit MRSA-Bakteriämie ergaben bei der 30-Tage-, 60-Tage-Letalität oder Gesamtletalität keinen Unterschied zwischen der Therapie mit Daptomycin oder Vancomycin.15 Hinsichtlich dem klinischen Therapie­versagen und den Nebenwirkungsraten schnitt Daptomycin besser ab. Daptomycin sollte man nicht bei pulmonalen Infektionen geben, da die Substanz durch den Surfactant-Factor der Lunge inaktiviert wird, ergänzte Hagel.

Kombinationstherapien

Mit einer Kombinationstherapie möchte man eine Steigerung der Bakterizidie erreichen, um frühzeitig eine Streuung des Erregers zu verhindern. Ihr Ziel ist die Reduktion von Spätkomplikationen und Sterblichkeit. So zeigen Studien an Tiermodellen, dass durch die Kombination verschiedener Substanzen mit Rifampicin oder Fosfomycin Bakterien besser eradiziert werden als durch eine Monotherapie.16 Da Fosfomycin das kleinste bekannte antibiotisch wirksame Molekül mit exzellenten Penetrationseigenschaften ist, können Erreger in jedem Kompartiment im Körper, sogar in Abzessen, mit einer adäquaten Konzentration adressiert werden.17–19

In einigen prospektiv-randomisierten Studien, die die verschiedenen Antibiotika-Kombinationen zur Therapie von MRSA- und MSSA-Infektionen untersucht haben, waren die Ergebnisse hinsichtlich des Outcomes eher enttäuschend. Dies könnte u. a. auch einer eher undifferenzierten Patientenauswahl geschuldet sein, schloss Hagel.20

Kombinationstherapie mit Fosfomycin

Die retrospektive Beobachtungsstudie INSTINCT aus Köln und Freiburg (2006–2011) untersuchte, bei welchen Patienten (n = 1.210) mit SAB eine Kombinationstherapie mit Fosfomycin oder Rifampicin das Outcome verbessert.21 Es zeigte sich, dass Patienten mit implantiertem Fremdmaterial (n = 578) signifikant von der Kombinationstherapie profitieren. Die Number needed to treat (NNT) um eine SAB-assoziierte Spätkomplikation oder einen Tod zu verhindern war 7 für eine Kombinationstherapie mit Fosfomycin.

Spannend waren laut Hagel in diesem Zusammenhang auch die Ergebnisse einer prospektiven randomisierten Vergleichsstudie zur Kombination von Daptomycin und Fosfomycin versus der Daptomycin-Monotherapie an 155 Patienten mit MRSA-Bakteriämie und Endokarditis.22 Daptomycin wurde hier mit 10mg/kg in hoher Dosis appliziert, während die Fosfomycin-Dosierung mit 4x 2g niedriger war als in der Fachinformation angegeben. Eine Endokarditis wurde bei 11,6% der Patienten diagnostiziert, 45% wiesen einen infizierten Gefäßkatheder auf und weitere 18,5% zeigten eine Haut-/Weichteilinfektion als Fokus. Zwar verfehlte die bezüglich Therapieerfolg numerisch überlegene Kombinationstherapie die statistische Signi­fi­kanz, wies aber keinen einzigen bakteriologischen Therapieversager auf. Im Gegensatz dazu traten diese in über 11% in der Monotherapie­gruppe auf. Auch Episoden einer komplizierten Bakteriämie waren in der Kombinationsgruppe ungefähr halb so häufig wie in der Mono­therapie­gruppe (16,2% vs. 32,1%). In der Behandlung von Patienten mit einem Pitt-Score >1 erreichte die Überlegenheit der Kombinations­therapie sogar statistische Signifikanz.

Zusammenfassend wies Hagel darauf hin, dass die Kombinations­therapie zur Verbreiterung des Wirkspektrums bzw. Steigerung der Bakterizidie der empirischen Initialtherapie über z. B. 72 Stunden sinnhaft sein kann. In der gezielten Therapie können ausgewählte Patienten mit einem hohen Schweregrad der Infektion, einem schwer zugänglichen Infektionsort sowie Komorbiditäten wie liegendes Fremdkörpermaterial von einer Kombinationstherapie z.B. mit Fosfo­mycin i.v. profitieren.

(mk)

Quelle:
Symposium „Infektiologische Herausforderungen in der Intensivmedizin – aktuelle Daten und Folgerungen für die Praxis“ anlässlich des DIVI22, Hamburg, 02.12.2022. Sponsor: Infectopharm Arzneimittel GmbH

In Kooperation mit der Infectopharm Arzneimittel GmbH

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1 Huang H, Huang S et al. Internat J Antimicrob Agents 2014; 43: 68–72
2 Cousson J, Floch T, Guillard T et al. AAC 2015. DOI: 10.1128/AAC.04232-14
3 Warda AEA, Sarhan R et al. Pharmaceuticals 2022; 15: 296].
4 Mader MMD, Czorlich P et al. Acta Neurochirurgica 2018; 160: 2099–105
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8 https://eu-burden.info/sari/auswertung/pages/carba.php
9 https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/antimicrobial-resistance-surveillance-europe-2022-2020-data
10 Kaye KS, Rice LB et al. Clin Infect Dis. 2019; 69(12): 2045–56. DOI: 10.1093/cid/ciz181
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