ARTHUR SCHULTZ

Bei einem hohen Prozentsatz der Patienten mit COVID-19 tritt eine neurologische Symptomatik auf. Hierzu zählen Hirnnervenaffektionen, ischämische Schlaganfälle, intrazerebrale Blutungen, Enzephalopathien und Enzephalitiden.

Methoden wie CT, MRT oder Vielkanal-EEG stehen bei beatmeten Intensivpatienten mit COVID-19 wegen des Übertragungsrisikos des SARS-CoV-2 nur eingeschränkt, ggf. auch gar nicht, zur Verfügung. Als bettseitiges Verfahren kann ein kontinuierliches EEG-Monitoring mit einem oder zwei Kanälen durchgeführt werden, auch bei Bauchlagerung der Patienten. Das Langzeit-EEG-Monitoring dient der Beurteilung der Sedierungstiefe und der frühzeitigen Erkennung von Krampfanfällen.

Langzeit-EEG-Monitoring und epilepsietypische Aktivität

Intensivpatienten mit COVID-19 weisen ungewöhnlich häufig epilepsietypische Aktivität im EEG auf. Die auffällige EEG-Aktivität kann sich mit unterschiedlichem Ausprägungsgrad zeigen: von einzelnen epilepsietypischen Potenzialen bis hin zum Krampfanfall und zum Status epilepticus. In der aktuellen Leitlinie „Status epilepticus im Erwachsenenalter“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) gibt es die folgende Empfehlung: Jeder epileptische Anfall, der länger als 5 Minuten anhält, definiert einen Status epilepticus und soll akut antiepileptisch behandelt werden (Empfehlungsstärke: stark).¹

Erfolgt keine Behandlung, kann eine lebensbedrohliche Situation entstehen.² Im Status epilepticus besteht die Gefahr einer bleibenden Schädigung von Gehirnzellen.²

Bei beatmeten COVID-19-Patienten können sowohl konvulsive als auch nonkonvulsive Anfälle auftreten. Zur Erkennung von nonkonvulsiven Anfällen ist das EEG besonders hilfreich. Von Vorteil sind Langzeitableitungen. Bei punktuellen EEG-Registrierungen können Anfallsmuster übersehen werden, falls die EEG-Ableitung in einem anfallsfreien Intervall erfolgen sollte.

Sedierung

Bei der Sedierung von COVID-19-Patienten kommen neben i.v.-Hypnotika auch Inhalationsanästhetika zum Einsatz. Inhalations anästhetika werden meist anhand von Konzentrationen in der Beatmungsluft dosiert (endtidale Konzentration, minimale alveoläre Konzentration (MAC)). Die aktuelle Literatur zeigt aber, dass Patienten, die ein Inhalationsanästhetikum in gleicher Konzentration erhalten, unterschiedliche EEG-Stadien der Narkosetiefe erreichen können, sodass es zu individuellen Unter- oder Überdosierungen kommt. Insbesondere bei älteren Patienten zeigen sich Überdosierungen. Bei der kombinierten
Applikation von i.v.-Hypnotika und Inhalationsanästhetika ist dem EEG-Monitoring ein besonderer Stellenwert zuzuordnen, weil sich im EEG die Wirkung der Substanzkombinationen zeigt. Epilepsietypische Aktivität hebt sich von den EEG-Bildern des Narkose-/Sedierungs-EEG ab (Abb. 1).

Abb. 1: Bildschirm des Narcotrend-Compact M. Original-Signal oben: EEG mit epilepsietypischer Aktivität. DSA-Verlauf: zunächst Sedierungs-EEG, ca. ab 7:15 Uhr Phase mit epilepsietypischer Aktivität, der Pfeil markiert den aktuellen Zeitpunkt. (Quelle: Narcotrend)

Anwendung des EEG-Monitorings

Die Abbildung 1 zeigt einen Ausschnitt aus dem EEG-Verlauf eines Intensivpatienten (EEG-Monitor Narcotrend-Compact M). Zunächst waren Sedierungsstadien vorhanden, die vor allem durch Aktivität im Frequenzbereich bis etwa 5 Hz geprägt waren (roter Bereich in der DSA-Darstellung). Ab ca. 7:15 Uhr fällt auf, dass zunehmend auch höherfrequente Wellen vorhanden sind. Das Original-EEG (7:31 Uhr) zeigt, dass in dieser Phase epilepsietypische Aktivität (deutlich z. B. in der 4. und 5. Sekunde) vorhanden ist. Bis etwa 7:40 Uhr bildete diese sich zurück. Verlaufsdarstellungen wie die DSA können auf Veränderungen in der Zusammensetzung des EEG hinweisen, die dann anhand des Original-EEG überprüft werden können.

Mit dem Narcotrend können ein oder zwei EEG-Kanäle abgeleitet werden, wobei die Elektrodenpositionen variabel sind. Das EEGSignal wird hinsichtlich der Narkose-/Sedierungstiefe klassifiziert. Der Parameter STI (Steile Transienten Intensität) unterstützt die Erkennung epilepsietypischer EEG-Aktivität.

Die Bewertung des EEG – vom Neugeborenenalter bis ins hohe Lebensalter – wird altersbezogen vorgenommen.

Delir bei COVID-19-Patienten

Bei Intensivpatienten mit COVID-19 wird häufig ein Delir beobachtet. Unter einem Delir versteht man eine akut auftretende, im Tages verlauf fluktuierende Aufmerksamkeits- und Kognitionsstörung, die oft mit Verhaltensstörungen einhergeht und mit erhöhter Hospitalisierungsrate, Demenzinzidenz und Letalität vergesellschaftet ist. Mögliche Ursachen für die Entstehung des Delirs bei COVID-19-Patienten sind unter anderem eine direkte ZNS-Invasion des Virus, die Induktion von ZNS-Entzündungsmediatoren, Auswirkungen von Funktionsstörungen anderer Organsysteme und hohe Dosierungen von Sedativa.³ Zudem kann ein Delir Folge von Krampfanfällen sein.

Fazit

Ein 1- oder 2-Kanal-EEG-Monitoring ist in der klinischen Routine bei Patienten mit COVID-19 als Dauerüberwachung einfach durchführbar und von großem klinischen Nutzen.

Korrespondierender Autor:
PD Dr. Dr. Arthur Schultz, Narcotrend-Gruppe, Fuhrberger Str. 4, 30625 Hannover

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1 https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030-079l_S2k_Status_epilepticus_im_Erwachsenenalter_2020-10_1.pdf (abgerufen am 21.03.2021)
2 https://dgn.org/presse/pressemitteilungen/status-epilepticus-zuegig-behandeln-unddabei-nicht-unterdosieren/ (abgerufen am 21.03.2021)
3 Kotfis K, Williams Roberson S, Wilson JE et al. COVID-19: ICU delirium management during SARS-CoV-2 pandemic. Crit Care 2020; 24(1): 176